Am vergangenen Wochenende war ich mit meiner Frau in Berlin. Wir wollten eine kleine Auszeit vom Alltag haben und sind für einen kurzen Trip in die Hauptstadt gefahren. Berlin ist die Stadt, die uns verbindet.
Hier haben wir vor zehn Jahren den ersten gemeinsamen Kurzurlaub gemacht, hier habe ich sie zum Flughafen gebracht, als sie für einen Monat nach Finnland reiste und hier habe ich sie wieder abgeholt. Hier haben wir als Azubis ohne Geld die Stadt per pedes erkundet; vom Brandenburger Tor bis zum Alexanderplatz. Wir lieben diese Stadt und irgendwie wusste Berlin uns zum Nachdenken anzuregen.
Am Samstagmittag sind wir angekommen und nach dem Einchecken und der kurzen Aklimatisierung, haben wir uns auf dem Weg zum Alexanderplatz gemacht. Aus der U-Bahn gekommen, wartete ein größeres „Straßenfest“ auf uns: Berlin lacht!
Das augenscheinlich hauptsächlich auf Kinder abgestimmte Programm wusste auch Erwachsene zu begeistern. Schnell war ich Teil einer Zaubershow eines Straßenkünstlers aus Argentinien und so ließ ich mich zu meiner eigenen Belustigung und die der Kinder bereitwillig an der Nase herumführen. Die Vorführung dauerte insgesamt ca. 45 Minuten und für die Qualität der Show hätte man durchaus Eintritt verlangen können. Doch dem war nicht so. Stattdessen zog der Künstler am Ende seinen Hut und bat um eine kleine Spende. Viele der begeisterten Zuschauer spendeten und nicht nur Hartgeld fand seinen Weg in die Kopfbedeckung.
In der U-Bahn trafen wir dann auf zwei Musiker, die in jeder Station den Wagon wechselten und dort mit Gitarre und Violine die Fahrgäste mit Musik versorgten. Doch, obwohl die beiden ihre Instrumente beherrschten und es sich wirklich sehr gut anhörte, fühlten wir uns gestört, andere rümpften ihre Nase oder hielten ihre Hände demonstrativ vor ihren Ohren. Aber warum?
Einer der beiden hatte zwar einen Pappbecher für Spenden an seinem Gürtel, doch zu keine Zeit baten sie darum. Wer wollte, der konnte und wer nicht, der nicht. Keine Bettelei, keine unangenehme oder beängstigende Verhaltensweisen, wie andere Bettler in den U-Bahn-Stationen sie haben. Einfache, nette und gepflegte Menschen, die ihre Virtuosität zeigen wollten.
Es ist schon faszinierend wie verschieden wir auf ähnliche Dinge reagieren und wie wenig wir dazu bereit sind, unser Verhalten und Reaktionen unmittelbar zu hinterfragen.
Der Sonntag war dann ein kleines Highlight. Nach einem Besuch bei der Ausstellung „Körperwelten“, landeten wir wieder am Alex und auf einer der freien Artistenflächen baute eine dreiköpfige Band ihre Instrumente auf. Wir beschlossen, noch ein wenig dort zu bleiben und zu schauen, was für Musik die drei machten. Bis heute kann ich das Genre nicht so wirklich bezeichnen, aber was hier passieren sollte, wird mir noch länger in Erinnerung bleiben:
Nach einigen Songs, forderte der Sänger zum Tanzen auf. Die Musik tat ihr Übriges und schon bald war der Platz vor der Band gefüllten und die Menschen tanzten ausgelassen. Die Leute lachten, hatten Spaß und kamen in Kontakt miteinander.
Vielleicht liegt es daran, dass ich auf dem norddeutschen Land groß geworden bin und danach direkt ins konservative Nürnberg gezogen bin. Auf jeden Fall habe ich eine derartige Ausgelassenheit noch nie gesehen.Vielleicht ist Berlin auch einfach nur anders als andere Städte. Es war der Wahnsinn.
Am Montag dann, waren wir zum Abschluss im Magic Museum. Am Ende erfolgte auch hier eine Zaubershow. Wir waren sage und schreibe fünf Zuschauer und dennoch: Der Künstler wusste damit umzugehen und uns zu animieren. Nur eine Person zeigte permanent ein lustloses Gesicht und war auch bei assistierenden Aufgaben wenig zu begeistern. Ich hätte sie wahrscheinlich verzweifelt wieder Platz nehmen lassen, doch dieser Typ zog es eiskalt und routiniert durch und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Ich habe mich danach noch gefragt, was Leute dazu bewegt, mit einer so unfreundlichen Art und Weise durch das Leben zu gehen.
Auch meine Frau wurde Teil der Show und bekam zum Abschluss einen zu einem Tier geformten Ballon überreicht. Da wir nach der Show jedoch für so etwas keine Verwendung hatten und auch die kindliche Freude über so etwas sehr schnell abebbte, beschloss meine Frau, den Ballon einem Kind zu schenken, das vielleicht mehr Freude daran gehabt hätte.
Auf dem Weg zur U-Bahn kam uns dann eine Familie mit zwei kleineren Kindern entgegen und meine Frau sprach die Mutter der beiden Kinder an, ob sie einem der zwei eine Freude machen könne. Sofort schrie diese Frau lauthals „Nein!“ und zog ihr Kind eilig beiseite. Jeder Passant im Umkreis von zehn Metern wurde auf das Spektakel aufmerksam. Wir fragen uns bis heute, was diese Dame dazu veranlasst hat, derart aus ihrer Haut zu fahren.
Der Ballon landete kurz darauf enttäuscht in einem Mülleimer.
Du bist nicht die sauberste Stadt und hier und da bist du beängstigend kalt. Aber du weißt immer wieder zu überraschen.
Berlin, ick liebe dir!